Rechtliche Rahmenbedingungen

So wie jeder in Deutschland für die Eröffnung eines Geschäfts oder zum Bau eines Hauses eine Genehmigung benötigt, müssen auch Wissenschaftler*innen eine Genehmigung beantragen, wenn sie einen Tierversuch durchführen wollen.

Für die Genehmigung ihres Versuchsvorhabens müssen sie vorgeschriebene Verfahrensabläufe einhalten und zahlreiche Bedingungen erfüllen. Zum Beispiel, dass es sich bei dem beantragten Tierversuch um eine neue wissenschaftliche Fragestellung handelt und der Versuch nicht schon einmal durchgeführt wurde.

Außerdem müssen Forschende darlegen, dass die Belastung für die Tiere so gering wie möglich bleibt. Eine Genehmigung für einen Tierversuch erfolgt erst dann, wenn alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft sind und es keine passende alternative Methode zum Tierversuch gibt.
Die zuständige Behörde prüft, ob Antragstellende alle gesetzlichen Anforderungen erfüllen. Nur, wenn dies nicht der Fall ist, kann die Behörde einen Tierversuch verbieten. Deshalb ist auch von einem „präventiven Verbot“ die Rede.

Von der Antragstellung bis zur Genehmigung eines Tierversuchs kann einige Zeit vergehen, da es sich um ein umfangreiches Verfahren handelt. Das Genehmigungsverfahren sollte jedoch laut Gesetz (§ 32 Abs. 1 TierSchVersV) nicht länger als 40 Arbeitstage in Anspruch nehmen. Diese Frist beginnt aber erst, wenn der Antrag vollständig und korrekt ist.

Wie das 3R-Prinzip rechtlich verankert ist

„Niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schaden zufügen.“ So lautet der Grundsatz des deutschen Tierschutzgesetzes (TierSchG § 1). Als vernünftiger Grund gilt auch, wenn Wissenschaftler*innen Tiere in Versuchen für wissenschaftliche Zwecke verwenden. Allerdings nur, wenn der Versuch unerlässlich ist – das heißt unter anderem, wenn es keine gleichwertige alternative Methode gibt.

Wann genau ein Tierversuch als unerlässlich gilt, regelt das Deutsche Tierschutzgesetz (TierSchG) ausführlich im Paragraph 7a. Der Grundsatz „Replace“ des 3R-Prinzips spielt demnach bereits in den Versuchsplanung eine entscheidende Rolle. Die 3R stehen für „Replace“, „Reduce“ und „Refine“. Weitere Informationen zum 3R-Prinzip finden Sie auch hier.

Sobald Forschende zu dem Schluss kommen, dass der Tierversuch das einzig mögliche Verfahren für ihre Fragestellung darstellt und dies in einem entsprechenden Antrag nachvollziehbar darlegt, muss die zuständige Behörde die Genehmigung erteilen. Die Behörde prüft jedes einzelne Versuchsvorhaben. Welche Rolle spielt das 3R-Prinzip dabei?

 
3R-Prinzip seit 2010 rechtlich verbindlich

Die Europäische Richtlinie 2010/63/EU zum Schutz der für wissenschaftliche Zwecke verwendeten Tiere legt das 3R-Prinzip seit 2010 als rechtlich verbindliches Verfahren in der Europäischen Union fest.

In Deutschland ist die Umsetzung des 3R-Prinzips im TierSchG und in der Tierschutz-Versuchstierverordnung (TierSchVersV) seit 2013 gesetzlich verankert. Dort sind auch die weiteren, umfangreichen rechtlichen Rahmenbedingungen für die Genehmigung und Durchführung von Tierversuchen geregelt.

Bereits vor der gesetzlichen Verankerung 2013 galten in Deutschland Grundsätze, angelehnt an das 3R-Prinzip. International wurden die 3R erstmalig im Jahr 1959 erwähnt.


Die 3Rs und die ethische Vertretbarkeit

Das 3R-Prinzip spielt bei der Planung, Vorbereitung und Durchführung eines Versuchs eine wichtige Rolle. Für eine Genehmigung gilt die Umsetzung dieses ethischen Prinzips in allen Bereichen tierexperimenteller Forschung als Voraussetzung. Die Wissenschaftler*innen müssen im Genehmigungsantrag darlegen,

  • warum sie für das Versuchsvorhaben zwingend Versuchstiere benötigen (Replace).
  • dass sie nur die geringst mögliche Zahl an Tieren einsetzen (Reduce). Die Anzahl der Versuchstiere sollte gleichzeitig hoch genug sein, um verlässliche und aussagekräftige Ergebnisse zu erhalten.
  • wie sie die Belastung der Tiere auf das unerlässliche Maß beschränken – vor, während sowie nach dem Versuch (Refine).

Neben der Frage nach der Unerlässlichkeit müssen Forschende bewusst entscheiden, inwiefern sich ein Tierversuch ethisch vertreten lässt. Es geht darum, abzuwägen, ob der angestrebte wissenschaftliche Erkenntnisgewinn die Belastung für das Versuchstier rechtfertigt. Der Versuch darf außerdem nicht bereits durchgeführt worden sein, auch nicht anderer Stelle. Forschende müssen Doppelversuche vermeiden. Deshalb steht vor jedem Versuch eine umfangreiche Literaturrecherche an.

Welche Personen und Einrichtungen sind am Verfahren beteiligt?

Nur Personen, die über erforderliche Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen, beispielsweise Veterinärmediziner*innen, Mediziner*innen oder Naturwissenschaftler*innen mit entsprechender nachgewiesener Qualifikation dürfen Tierversuche durchführen. Alle am Versuch beteiligten Personen weisen ihre Qualifikation nach. Qualifizierte Personen legen im Antrag den geplanten Tierversuch nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft dar und begründen diesen. Sie müssen ihr Vorhaben und die eingesetzten Verfahren genau beschreiben. Darüber hinaus legen die Wissenschaftler*innen dar, wie sie sicherstellen, die Versuchstiere angemessen unterzubringen und zu betreuen.

Wer hat die Entscheidungsmacht?

Für den Antrag arbeiten Forschende mit dem oder der Tierschutzbeauftragten ihres Instituts zusammen. Diese*r achtet auf die Einhaltung der Vorschriften und berät die Wissenschaftler*innen bereits im Vorfeld. Der oder die Tierschutzbeauftragte steht für Fragen zur Verfügung und gibt gegebenenfalls Hinweise, wie die Wissenschaftler*innen den Versuch inhaltlich oder methodisch verbessern können. Tierschutzbeauftragte stehen wiederum im Austausch mit einem Tierarzt oder einer Tierärztin und der zuständigen Behörde.

Mit einer unabhängigen Stellungnahme des oder der Tierschutzbeauftragten – die auch negativ ausfallen kann – leitet der Antragstellende zusammen mit dem oder der Tierschutzbeauftragten den Antrag an die zuständige Genehmigungsbehörde weiter. Eine unabhängige Tierschutzkommission unterstützt die Behörde und überprüft den Antrag nach den genannten Kriterien – ob es schonendere Verfahren gibt (Refine), ob so wenig Tiere wie möglich eingesetzt werden (Reduce) und ob es nicht Verfahren ohne Tierversuche gibt (Replace). Die Kommission setzt sich zu mindestens einem Drittel aus Mitgliedern von Tierschutzorganisationen zusammen. Außerdem sind Wissenschaftler*innen sowie (Tier)-Ärzt*innen vertreten.

Das letzte Wort hat die Genehmigungsbehörde
Die Kommission gibt eine Empfehlung an die Behörde ab, ob Nachfragen an den Antragstellenden oder Auflagen für den Versuch notwendig sind. Letztendlich erteilt die Behörde die Genehmigung, wenn der Antrag alle Bedingungen (§ 8 TierSchG) erfüllt. Gegebenenfalls unter Auflagen, die die Anzahl der Tiere oder die Auswahl der Methoden betreffen. Es gibt keine Genehmigungsfiktion, das heißt, Forschende müssen eine schriftliche Erlaubnis für den jeweiligen Versuch in jedem Fall abwarten, bevor sie mit dem Versuch beginnen dürfen.

Falls Wissenschaftler*innen nach Ansicht der Behörde oder der Kommission Bedingungen nicht erfüllen, kann die Behörde verlangen, dass Forschende den Antrag ändern. Dieser Prozess kann dazu führen, dass das Genehmigungsverfahren länger als die gesetzlich festgelegten 40 Arbeitstage dauert.

Wenn Forschende Auflagen nicht einhalten können oder Rückfragen nicht hinreichend beantworten, erfolgt eine Ablehnung des Tierversuchs. Ein „Durchwinken“ gibt es nicht. Auch kleine Änderungen am Versuch fallen unter die Genehmigungspflicht und müssen der Behörde sofort angezeigt werden.

So geht es nach dem Genehmigungsverfahren weiter

Jeder Tierversuch unterliegt einer Meldepflicht für statistische Zwecke (Versuchstiermeldeverordnung). Neben dem Zweck, der Art und dem Schweregrad der Belastung für die Tiere, müssen Forschende Art, Herkunft und Zahl der verwendeten Tiere an die zuständige Behörde weiterleiten. Sie sind auch dazu verpflichtet, Daten zu getöteten Tieren zu übermitteln.

Interne und externe Kontrollen

Auch nachdem die Behörde einen Tierversuch genehmigt hat, gibt es Kontrollen. Intern durch den oder die Tierschutzbeauftragte*n. Diese prüfen unter anderem, ob die Wissenschaftlerin oder der Wissenschaftler die gesetzlichen Bestimmungen einhält, ob der Belastungsgrad dem im Antrag angegebenen Maß entspricht oder ob die genehmigte Anzahl an Versuchstieren zum Einsatz kommt.

Außerdem führen je nach Bundesland Amtstierärzt*innen und Veterinärämter oder Landesämter externe Kontrollen durch, die auch unangekündigt erfolgen. Somit zeigt sich, dass das 3R-Prinzip während des gesamten Prozesses – vom Antrag, der Durchführung bis nach dem Tierversuch – von Bedeutung ist.