Tierschutz

Inwiefern wird Tierschutz sichergestellt?

Tierschutz in der Versuchstierkunde
Als Tierschutz werden alle Aktivitäten des Menschen bezeichnet, die darauf abzielen, Tieren ein artgerechtes Leben ohne Zufügung von Leiden, Schmerzen, Schäden und unnötigen Beeinträchtigungen zu ermöglichen. Der Tierschutz zielt auf das einzelne Tier und seine Unversehrtheit. Im Tierschutzrecht und seinen zugehörigen Regelungen liegt der Schwerpunkt auf der sach- und artgerechten Haltung, Umgang mit und Nutzung von Tieren durch den Menschen.

Die biologische und medizinische Forschung beruht zu einem maßgeblichen Anteil auf tierexperimentellen Arbeiten. „Obwohl die Entwicklung alternativer Methoden stetig voranschreitet, ist auch die aktuelle Forschung nicht ohne den Einsatz tierexperimenteller Methoden denkbar.“ (Leopoldina-Stellungnahme, 2012).

Das Tierschutzgesetz (TierSchG) und die Tierschutz-Versuchstierverordnung (TierSchVersV) stellen die rechtlichen Grundlagen für das Arbeiten mit Tieren dar. Tierschutz unter Berücksichtigung des 3R-Prinzips ist eine unabdingbare Voraussetzung für die erfolgreiche biomedizinische Forschung.

Nur, wenn es keine Alternativen gibt
Der Schutz von Versuchstieren ist gesetzlich geregelt – in Deutschland mit einem der strengsten Regularien weltweit.

Über die biomedizinische Forschung mit Tieren wird in der Gesellschaft kontrovers und oft auch sehr emotional diskutiert. Dabei geht es vor allem um wissenschaftliche und ethische Fragen. Denn Tierversuche sind Eingriffe oder Behandlungen an Tieren, die der Beantwortung einer wissenschaftlichen Fragestellung dienen und die mit Schmerzen, Leiden oder Schäden für diese Tiere oder deren Nachkommen verbunden sein können. Als Tierversuche gelten auch Eingriffe zur Herstellung von Stoffen und Produkten oder zur Vermehrung von Organismen, wenn sie anschließend zur Beantwortung wissenschaftlicher Fragen eingesetzt werden. Die Entnahme von Organen und Geweben für eine Transplantation, das Anlegen einer Kultur, die isolierte Untersuchung von Organen und Gewebe sowie Eingriffe zur Aus-, Fort- und Weiterbildung gelten ebenfalls als Tierversuche. Das Töten von Tieren zu wissenschaftlichen Zwecken, ohne dass an ihnen zuvor Eingriffe vorgenommen wurden, ist nach dem Gesetz kein Tierversuch, das wird durch einen anderen Abschnitt des Gesetzes reguliert.

Das deutsche Tierschutzgesetz gehört zu den strengsten weltweit. Der Schutz von Versuchstieren ist im Tierschutzgesetz und in der Tierschutz-Versuchstierordnung geregelt. Sehr weitreichende Regelungen gelten dabei insbesondere für Wirbeltiere und Kopffüßer, zu denen beispielsweise der Oktopus gehört. Die Vorschriften legen unter anderem die Anforderungen an die Haltung, Zucht und Verwendung der Tiere fest. Das Tierschutzgesetz legt darüber hinaus die Zwecke fest, für die Tiere in Versuchen eingesetzt werden dürfen. Dazu gehören die Grundlagenforschung, die angewandte Forschung zur Vorbeugung, Erkennung oder Behandlung von Krankheiten, Qualitäts- und Wirksamkeitsprüfung von Medikamenten, der Umweltschutz, die Erhaltung der Art sowie die Aus-, Fort- und Weiterbildung.

Das Gesetz schreibt vor, das ein Tierversuch nur dann durchgeführt werden darf, wenn er zur Beantwortung der wissenschaftlichen Frage unerlässlich ist und bei der Abwägung zwischen dem zu erwartenden Erkenntnisgewinn und dem Leid der Tiere ethisch vertretbar erscheint. Wenn es zuverlässige Alternativmethoden gibt, müssen diese anstelle der Tierversuche angewendet werden. Das Deutsche Zentrum zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) am Bundesinstitut für Risikobewertung fördert die Entwicklung, Validierung und den Einsatz solcher alternativer Methoden. Das langfristige Ziel von Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt ist es, Tierversuche komplett zu ersetzen.

Nach Angaben des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft wurden in Deutschland im Jahr 2015 rund zwei Millionen Wirbeltiere und Kopffüßer in der biomedizinischen Forschung eingesetzt. Bei etwa 82 Prozent der Tiere handelte es sich um Nagetiere, vor allem Mäuse und Ratten. Etwa acht Prozent der Tiere waren Fische, rund fünf Prozent Kaninchen und etwa zwei Prozent Vögel. Weitere Tierarten waren beispielsweise Affen, Hunde und Katzen. Menschenaffen sind in der biomedizinischen Forschung nicht mehr erlaubt, in Deutschland werden solche Untersuchungen seit 1991 nicht mehr praktiziert.

Für welche wissenschaftlichen Zwecke wurden die Tiere verwendet? Rund 59 Prozent dienten der Grundlagenforschung und 14 Prozent der Erforschung von Erkrankungen von Menschen und Tieren. Etwa 23 Prozent der Tiere wurden bei der Herstellung und Qualitätskontrolle von medizinischen Produkten oder für toxikologische Sicherheitsprüfungen eingesetzt. Rund vier Prozent wurden für andere Zwecke, beispielsweise zur Aus- und Weiterbildung oder zur Zucht von genetisch veränderten Tieren genutzt. In der Grundlagenforschung spielen Tierversuche vor allem bei der Erforschung des Immunsystems und des Nervensystems eine Rolle. In der angewandten Forschung wurden Tiere hauptsächlich eingesetzt, um Krebserkrankungen des Menschen näher zu erforschen. Im Zusammenhang mit Kosmetika ist die Forschung mit Tieren seit 1986 für dekorative und seit 1998 auch für pflegende Produkte durch das deutsche Tierschutzgesetz verboten.

In Niedersachsen wurden 2015 laut Versuchstiermeldeverordnung rund 338.700 Tiere für wissenschaftliche Zwecke eingesetzt. Dort gibt es etwa 35 Einrichtungen, die biomedizinische Forschung mit Tieren betreiben. Dazu zählen Universitäten sowie private Forschungsinstitute und Unternehmen. tg

(Quelle: Pressestelle/MHH, 03.2017)

Kein Versuch ohne Genehmigung
Jeder wissenschaftliche Versuch an Wirbeltieren und Kopffüßern muss vorab einen behördlichen Genehmigungsprozess durchlaufen. Der Ablauf des Verfahrens unterliegt den Vorgaben des Tierschutzgesetzes und der Tierschutz-Versuchstierverordnung. Für die Bearbeitung der Genehmigungsanträge ist in Niedersachsen das Niedersächsische Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (LAVES) zuständig.

In seinem Antrag muss die Wissenschaftlerin oder der Wissenschaftler ausführlich darlegen, welche und wie viele Tiere bei dem Forschungsvorhaben verwendet werden sollen, wie der Versuch ablaufen soll, warum es keine Alternativmethoden gibt und warum der Versuch „ethisch vertretbar“ ist. Jede Einrichtung, die biomedizinische Forschung mit Tieren betreibt, muss über geeignete Räume und qualifiziertes Personal für die Haltung der Tiere und die Durchführung der Versuche verfügen. Außerdem muss sie einen Tierschutzbeauftragten, in der Regel einen Veterinärmediziner, ernennen. Er oder sie achtet auf die Einhaltung des Tierschutzes und berät hinsichtlich der Tierhaltung und der Versuchsdurchführung. Darüber hinaus prüft der Tierschutzbeauftragte den Antrag schon im Vorfeld und gibt eine Stellungnahme dazu ab, die zusammen mit dem Antrag eingereicht wird.

Die Genehmigungsbehörde überprüft, ob der Antrag vollständig und das Forschungsvorhaben plausibel ist. Dabei wird sie von einer unabhängigen Kommission unterstützt, die zu mindestens einem Drittel aus Tierschützern besteht. Der Genehmigungsprozess soll laut Gesetz nach 40 Tagen abgeschlossen sein.

Der Antragsteller muss alle Rückfragen zufriedenstellend beantworten können und gegebenenfalls auch bestimmte Auflagen erfüllen, beispielsweise die Zahl der Tiere reduzieren oder eine weniger belastende Methode anwenden. Bevor sie eine Genehmigung erteilt, prüft die Landesbehörde, ob bei dem Tierexperiment die Aspekte des 3R-Prinzips berücksichtigt werden: Kann der Versuch vermieden und mit alternativen Methoden durchgeführt werden (Replace)? Lässt sich die Zahl der Tiere verringern (Reduce)? Kann das Versuchsverfahren verbessert (Refine) und damit die Belastung für die Tiere minimiert werden? tg

(Quelle: Pressestelle/MHH, 03.2017)